Eingereicht von »Rems-Zeitung, Redaktion« am Montag, 24. Oktober 2011
Jedem, der erstmalig Zeuge eines epileptischen Anfalls wird, bleibt dieser als zum Teil erschreckendes, zumindest als stark berührendes Ereignis in Erinnerung. Somit hat der an Epilepsie Erkrankte nicht nur mit den unmittelbaren Krankheitsauswirkungen, sondern auch gesellschaftlichen Vorbehalten zu kämpfen. Beim 6. Gmünder Epilepsietag wurden das Thema aus ärztlicher und arbeitsrechtlicher Sicht erläutert.
Wegen der Sorge ausgegrenzt zu werden, schrecken viele Epilepsiekranke davor zurück, ihr Leiden offen zu kommunizieren. Um das Krankheitsbild Epilepsie in der Gesellschaft bewusst zu machen und um Ressentiments gegen Epilepsiekranke zu mindern veranstaltete die Selbsthilfegruppe für Anfallskranke , vertreten durch die zweite Vorsitzende Frau Birgit Baur gemeinsam mit der Praxis
Dr. Jürgen Kirchmeier, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, den
6. Gmünder Epilepsietag. Bei der Eröffnung dankte
Dr. Kirchmeier dem Bereichsvorstand der Barmer GEK, Herrn Alexander Stütz, für die freundliche Unterstützung, insbesondere dass die Veranstaltung in deren Räumen stattfinden durfte. Herr
Dr. Bläse erster Bürgermeister der Stadt Schwäbisch Gmünd wünschte der Selbsthilfegruppe viel Erfolg und würdigte ihr Bemühen für mehr Offenheit für das Krankheitsbild Epilepsie.
Dr. Kirchmeier stellte in seinen einführenden Worten die belastenden Faktoren für einen Patienten mit Epilepsie dar und betonte, wie wichtig ein gut informiertes berufliches wie auch soziales Umfeld des Betroffenen sei. Wenn ein Anfall während der Arbeit auftritt, führt dies häufig zu panischen und übersteigerten Reaktionen. Dies wurde eindrücklich in einem Lebensbericht einer Epilepsie –Patientin zu Beginn der Veranstaltung geschildert. Dabei ist die Epilepsie keine seltene Erkrankung: über
800.
000 Bundesbürger erleiden zumindest einmal im Leben einen Krampfanfall. Im Ostalbkreis sind dies insgesamt
3200 Mitbürger. In seinem Referat ging
Dr. med. Tiedemann, Facharzt für Arbeitsmedizin darauf ein, welche Berufe, einem Epilepsiekranken verschlossen sind. Er wies aber auch darauf hin, dass viele Berufe dennoch ausgeübt werden können, da in vielen Berufen die Schädigungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz nicht größer sind als im sonstigen täglichen Leben. Er warb dafür, eher offen mit der Erkrankung umzugehen, so dass Vorgesetzte und Kollegen bei einem möglichen Anfall nicht panisch reagieren und gegebenenfalls Hilfe leisten können. Der Betriebsarzt kann hier eine hilfreiche Vermittlungsrolle übernehmen, da er sowohl das Krankheitsbild wie auch den Arbeitsplatz beurteilen kann. In Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt, den zuständigen betrieblichen Funktionsträgern und externen Trägerschaften wie der Rentenversicherung, dem Intergrationsfachdienst und anderen kann so in vielen Fällen eine befriedigende Lösung zur Sicherung der Erwerbsmöglichkeit des Erkrankten gefunden werden. Herr Bräutigam Fachanwalt für Arbeitsrecht wies in seinem Referat auf die aktuelle Rechtslage hin, die Menschen mit Behinderung reichlich Unterstützung gibt. Er wies auf die Bedeutung des Behindertenstatus, das rechtskonforme Verhalten bei einer Einstellung und auf die Rechte eines gesundheitlich Eingeschränkten im Berufsleben hin. Herr Bräutigam führte auch aus, dass die Epilepsie nicht angegeben werden muss, wenn vor der Einstellung ein Fragebogen bezüglich der Erkrankungen ausgefüllt werden muss. Es besteht keine Offenbarungspflicht für Schwerbehinderte bzw. Epilepsiekranke, sofern die Epilepsie keine Rolle für die Ausübung der Tätigkeit spielt. So ist es daher auch nicht zulässig, dass bei einem Bewerber, der seine Epilepsie beim Einstellungsgespräch bzw. der Bewerbung angibt, dieser aufgrund der Epilepsie abgelehnt wird. Er kann dann aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf Entschädigung bzw. Schadensersatz klagen. Ein Anspruch auf einen Arbeitsplatz kann jedoch nicht eingeklagt werden. Als praktisches Beispiel führte Herr Bräutigam den Fall eines Betriebsschlossers an, der in seiner Bewerbung auf ein Herzleiden sowie Epilepsie hinwies. Ein anderer bekam die Stelle, dabei wurde die Bewerbungsfrist nicht eingehalten. Der Betriebsschlosser konnte in diesem Fall, weil das Gericht Verfahrensfehler schon als diskriminierend angesehen hat auf Entschädigung klagen. Der Fachanwalt führte weiter aus, dass die bisher als zulässig angesehene Frage nach der Schwerbehinderung beim Einstellungsgespräch nunmehr aufgrund europäischer Richtlinien diskriminierenden Charakter hat und zunehmend diese Frage von den Gerichten als nicht zulässig angesehen wird. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass dann der Bewerber bei einer unzulässigen Frage ein sog. „Recht zur Lüge“ hat. Antwortet der Arbeitnehmer jedoch auf eine zulässige Frage nicht wahrheitsgemäß, so kann der Vertrag auch später noch durch den Arbeitgeber rückwirkend angefochten werden. Hat ein Arbeitnehmer einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von mindestens
50, so ist für eine Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes notwendig. Im Einzelfall sollten rechtliche Fragen am besten mit einem Anwalt geklärt werden.Zum Abschluss der Veranstaltung wünschten alle der Selbsthilfegruppe viel Erfolg bei ihrer Aufklärungsarbeit, um in der Gesellschaft einen rationaleren Zugang zu dieser an sich häufigen Krankheit zu geben. In ihrem Schlusswort ging Frau Birgit Baur noch auf die Bedeutung von Arbeit ein: Zum einen verschafft Arbeit Selbstbestätigung und dient der Selbstverwirklichung. Und der Lohn ermöglicht einem „soziale Teilhabe“. Wie
Dr. Tiedemann bereits ausführte, gibt es genügend Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten. Glücklicherweise gibt es einige Institutionen, die Epilepsiekranken Hilfe bieten (Integrationsfachdienste, Berufsausbildungswerke). So sollte denn auch für Epilepsiekranke gelten: Besser Arbeit als Frühverrentung und Arbeitslosigkeit. Unter ihrem Motto „Epilepsie braucht Offenheit“ will die SHG für Anfallskranke weiterarbeiten und zur Aufklärung beitragen.
Dieser Artikel wurde von der Redaktion der Rems-Zeitung unbearbeitet veröffentlicht.
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