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Waldstetten/Stuifen | Schulen/Hochschulen

Gedenkstättenfahrt der Werkrealschüler Waldstetten

Eingereicht von »Rems-Zeitung, Redaktion« am Dienstag, 03. Dezember 2013

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Unterm Hohenrechberg Waldstetten mit Deutschlands schrecklicher Geschichte konfrontiert. Über die Bildungsabteilung der KZ-​Gedenkstätte erhielten die Jugendlichen einen knapp dreistündigen geführten Rundgang.
Anhand des historischen Geländes, der noch erhaltenen Gebäude, der Rekonstruktionen und Inszenierungen am Ort wurden die Spuren, die von der Zeit des Konzentrationslagers und der Nachgeschichte hervorgerufen wurden, herausgestellt. Der Einbezug von Biografien ehemaliger Häftlinge ermöglichte den Jugendlichen einen personalisierten Zugang. Während des Rundgangs hatten die Schülerinnen und Schüler jederzeit die Möglichkeit, ihr Vorwissen einzubringen und offene Fragen zu klären. Der Rundgang der Gruppe, unter Leitung der Referentin, beginnt an der früheren Zufahrtsstraße zum KZ mit einer Darstellung der Gesamttopographie des Lagerkomplexes sowie der Schilderung der Beziehungen der Einwohner der Stadt Dachau zum Lager und zur SS. Anschließend folgt die Gruppe dem damaligen Weg der Häftlinge entlang des ehemaligen SS-​Lagers bis hin zum zentralen Eingangstor. Als die Schülerinnen und Schüler das riesige Gelände in Dachau betreten, sorgt ein kalter Wind dafür, dass sich mancher ein klein wenig vorstellen kann, wie es war, bei dieser eiskalten Witterung stundenlang „strafstehen“ zu müssen und wie wichtig es dabei war, ein paar Seiten Zeitungspapier als Wärmepolster unter der dünnen, gestreiften Straflagerkleidung gehortet zu haben. Sehr ruhig schreiten alle durch das „Tor ohne Rückkehr“ des Lagers und die Aufschrift „Arbeit macht frei“ stimmt Lehrer und Schüler gleichermaßen nachdenklich. Spätestens jetzt hat jeder begriffen, dass die Verbrechen in den Konzentrationslagern tatsächlich Wirklichkeit gewesen sind und nicht einem „Horrorfilm“ entspringen. Anschließend besichtigt die Gruppe in den ehemaligen Verwaltungsgebäuden des Wachpersonals eine Ausstellung, in der Kleidungsstücke, Kochgeschirr und ähnliches erhalten sind. Die Belegzahlen, die scheinheiligen Todesmitteilungen und Schweigeverpflichtungszettel hinterlassen bleibenden Eindruck. Durch die Räume des Gebäudes kam einst jeder Häftling ins Lager. Hier wurden die Neuankömmlinge ihrer Persönlichkeit beraubt, als sie im so genannten Schubraum die Habseligkeiten ablegten. Im angrenzenden Lagerbad wurden sie kahlgeschoren, desinfiziert und geduscht, bevor sie die Häftlingskleidung anziehen mussten. Über 200.000 Männer aus mehr als 30 Ländern waren in Dachau inhaftiert. Mehr als 36 000 kamen dort oder in einem der Außenlager ums Leben. 40 Außenlager gab es allein in München, u.a. bei so renommierten Unternehmen wie BMW oder Agfa. Andere waren beim Bombensuch-​Kommando, das mit dem oft tödlichen Auftrag losgeschickt wurde, Blindgänger zu entschärfen. Die Referentin erzählt schier Unglaubliches. Die 15– bis 18-​Jährigen umringen sie am Bock, auf dem SS-​Wachleute Menschen zu Tode prügelten. Über den Köpfen, in den Pfeilern der Rundbögen, sind die Maueröffnungen für die Balken zu sehen, an denen Häftlinge mit Armen am Rücken hingen. „Hier hat man nicht Handtücher aufgehängt, sondern Menschen, die hier das so genannte „Baumhängen“ ertragen mussten“, erzählte die Referentin. Wie es damals aussah, zeigt eine anonyme Zeichnung aus dem Jahr 1945 in einer Vitrine: SS-​Männer mit Reitgerte stehen feixend unter den hängenden Folteropfern. Die Schüler können das Gehörte nicht recht fassen, so schrecklich, aber auch so banal ist das Gesicht des Terrors an dem Ort, der einst Folterkammer war und nun Museum ist. Wegen eines verlorenen Knopfes habe er eine Stunde dort hängen müssen. „Was hätte er tun sollen, um der Strafe zu entgehen?“, fragt Emre, „Was wäre das richtige Verhalten gewesen?“ Eine Schülerin versucht zu antworten, doch dann merkt sie, dass es keine Antwort gibt. Draußen auf dem Appellplatz spüren die Jugendlichen erneut die Kälte. Hier wurden die Häftlinge morgens und abends abgezählt und zur Arbeit eingeteilt. Zur Abschreckung wurden Strafmaßnahmen öffentlich verkündet und vollzogen. Je mehr die Zahl der Gefangenen anwuchs, desto länger und kräfteraubender wurde das Appellstehen. Auch tote Häftlinge mussten mitgebracht und gezählt werden. Nicht zuletzt durch eine Inschrift wird jedem klar, wie die Menschen gedemütigt wurden, denn auf dem Dach des Wirtschaftsgebäudes mussten die Häftlinge bei jedem Appell zur Verhöhnung den Spruch „Es gibt einen Weg zur Freiheit, seine Meilensteine heißen: Gehorsam, Fleiß, Ehrlichkeit, Ordnung, Sauberkeit, Nüchternheit, Wahrhaftigkeit, Opfersinn und Liebe zum Vaterland“ lesen. Am Übergang des Appellplatzes zur Lagerstraße, der zentralen Achse des Lagers, besichtigen die Schülerinnen und Schüler zwei rekonstruierte Baracken. Vor allem die Stockbetten und die Toilettenräume ohne Abtrennungen schrecken ab. Die übrigen 32 Baracken sind lediglich durch Fundamente an ihrem ehemaligen Standort markiert, so dass der heutige Geländeeindruck die drangvolle Enge und Dichte der Barackenanlage nicht wieder gibt: Das ursprünglich für ca. 6.000 Häftlinge konzipierte Lager war in den letzten Jahren mit über 30.000 Menschen ständig überbelegt. Über die Lagerstraße erreichen wir die Anlage des Krematoriums, die etwas außerhalb liegt und vom Häftlingslager strikt getrennt war. Sie durfte nur von den Häftlingen des Arbeitskommandos Krematorium betreten werden. Unscheinbar wie andere Gebäude auch, steht es da, ohne dass man auf den ersten Blick etwas „Böses” vermuten würde. Nur der Schornstein lässt die tatsächliche Wahrheit über dieses Gebäude vermuten. Zwar machen die tristen, weißen Wände einen genauso unschuldigen Eindruck wie das Gebäude von außen, doch die großen Öfen im zentralen Raum des Krematoriums sprechen Klartext: Hier wurden einst tausende Leichen verbrannt. Julie ist vom Besuch im Krematorium ernüchtert und hält sich wie die meisten Schüler hier nicht lange auf: „Zu sehr plagt mich die Vorstellung, wie hier tote Menschenkörper einfach verbrannt wurden.“ Besonders ergriffen sind die Jugendlichen zum Abschluss des Rundganges von einem Film mit Originalaufnahmen von der Befreiung des KZ Dachau am 29. April 1945. Es sind Bilder über die Zustände im KZ, die so erschreckend sind, dass man kaum glauben kann, dass sie der Realität entsprechen. Mohamed, 18, sucht nach den richtigen Worten: „Es ist schon erschreckend, wenn man das hier sieht, wo so viele Menschen umgekommen sind.“ Die Beklemmung, die in ihm steckt, ist spürbar. Eine Studienfahrt mit solch ernster Thematik ist nicht ohne gründliche Vorbereitung und Reflexion möglich“, weiß Klassenlehrer Ulrich Motschenbacher, „liegen doch die Ereignisse für heutige Jugendliche zeitlich weit zurück“. Die Entwicklung des Nationalsozialismus von Adolf Hitlers Rassenlehre bis hin zum organisierten Massenmord wurde vor allem in Geschichtsstunden im Fächerverbund WZG (Welt-​Zeit-​Gesellschaft) erarbeitet. Mit dieser Fahrt nach Dachau erhofft sich Lehrer Motschenbacher, diesen Teil der Geschichte des Dritten Reiches besser verdeutlicht zu haben, bei den Jugendlichen aber auch eine erhöhte Wachsamkeit für die heutige Zeit geweckt zu haben.

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