Eingereicht von »Rems-Zeitung, Redaktion« am Dienstag, 14. Juli 2015
Erstes Ziel der Lehrfahrt der Baumwartvereinigung Schwäbisch Gmünd war das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg bei Karlsruhe. Das in der Berufsverkehrszeit dauerstaugeplagte Stuttgart sowie Auswirkungen eines Unfalls auf der Autobahn ließen die knapp 40-köpfige Gmünder Reisegruppe mit leichter Verspätung am Zielort eintreffen. Am dortigen Obsthof waren bereits Schrannen zur Einnahme des obligatorischen Brezelfrühstücks hergerichtet
Unter angenehm wärmenden Sonnenstrahlen lud Ute Ellwein – sie ist die Verantwortliche für die Sortenprüfung - die Gruppe sogleich zur Verkostung von mehreren Kirschensorten ein, die auch benotet werden sollten. Fruchtgrößen von teilweise deutlich über
30 mm beeindruckten die Besucher von der Ostalb, wo solche Ernteergebnisse eher seltene Ausnahmen sein dürften. Das Gelände des Versuchsguts umfasst eine Fläche von
15 ha, neben Äpfeln, Birnen, Zwetschgen und vielen Beeren werden auch ca.
1,
6 ha Kirschen angebaut. Nur Teilbereiche der Anlagen konnten gestreift werden, u.a. das Exoten-Quartier, wo Kiwi, Kaki und Co. in dem günstigen Klima des Rheintals bei ca.
1800 Sonnenstunden im Jahr wohl gedeihen. Der Lehr– und Versuchsbetrieb hat eine hohe überregionale Bedeutung und erbringt Dienstleistungen für die Landwirtschaft und die Bevölkerung des Landes Baden-Württemberg in Form von obstbaulichen Versuchen (Sorten– und Unterlagenprüfung, Anbau– und Pflanzenschutzversuche) sowie Beratung und obstbaulichen Veranstaltungen. Für die Versuche werden von Züchtern oder Lizenzfirmen interessante Neuzüchtungen zur Prüfung am klimatisch begünstigten Standort zur Verfügung gestellt. Während beim Kernobst zwischen
5 und
10 Bäume einer Sorte auf ihre Eignung geprüft werden, beschränkt man sich beim Steinobst auf
2 bis
3 Bäume je Sorte. Nach mindestens
3 Vollertragsjahren kann eine erste Bewertung vorgenommen werden. Bei Ausfalljahren durch Frost oder Hagel verlängert sich der Prüfzeitraum. Schorfresistente Apfelsorten stehen je zur Hälfte in einem konventionellen Quartier und zur Überprüfung der Widerstandsfähigkeit in einem Quartier ohne Fungizideinsatz. Um die Kirschfrüchte vor Wetter und Schadinsekten zu schützen sind sehr aufwändige Techniken unabdingbar. Hagel– und Regenschutzüberdachungen sind schon längere Zeit im Gebrauch, seit der Einschleppung der Kirschessigfliege aus dem asiatischen Raum, die hierzulande keine tierischen Gegenspieler hat, müssen diese Schadinsekten durch zusätzliche, feinmaschige Netze (Maschenweite kleiner als
1 mm) aus den Anlagen ferngehalten werden — Zutritt für Menschen und Maschinen erfolgt durch Schleusen. Die Bekämpfung des Schädlings gestaltet sich ausgesprochen schwierig. Für den Haus– und Kleingartenbereich sind keine Pflanzenschutzmittel zugelassen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist mit den sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Wirkstoffen im Erwerbsobstbau eine rein chemische Bekämpfung der Kirschessigfliege nicht möglich. Versuche verschiedener Pflanzenschutzdienste haben bislang gezeigt, dass mit chemischen Maßnahmen nur eine kurzzeitige Reduktion des Larvenbesatzes in der Frucht zu erzielen ist. Über
50.
000,- Euro pro ha müssen für diesen zusätzlichen Netz-Schutz investiert werden, ohne den kein zukunftsfähiger, gewerblicher Kirschenanbau mehr stattfinden kann. In den Kirschenquartieren konnte auch eine neue Erziehungsform besichtigt werden, bei der der eigentlich aufrechtwachsende Stamm in die Waagrechte gebogen wird, und darauf entwickeln sich – dem Gesetz der Oberseitenförderung folgend – neue senkrecht stehende Fruchttriebe, die älteren Exemplare davon werden regelmäßig entfernt, was den Baum verjüngt. Neudeutsch wird diese Erziehungsform als „upright fruiting orchard“ oder kurz „UFO“ bezeichnet. Eine weitere Neuheit konnte hinsichtlich Kulturtechnik in Augenschein genommen werden. Eine Baumschnittmaschine erledigt diese Arbeit auf rationelle Art und Weise. Mit einem speziellen, traktorgetragenen Messerbalken werden die „Schlanke Spindeln“-Reihen auf eine Breite von ca.
40 cm gestutzt, die in der Vegetationsphase wieder auf eine Breite von ca.
80 cm anwachsen. Teilweise erfahren die Bäume einen winterlichen Ergänzungsschnitt. Diese brutal anmutende Schnitt-Methode ist zumeist wohl dem Erwerbsobstbauer vorbehalten. Der Lehr– und Versuchsbetrieb testet diese Technik auf ihre Praxistauglichkeit und gibt die aktuellen Impulse als Hilfestellung an die Sonderkulturbetriebe in Baden-Württemberg weiter. Zu schnell verging die Zeit, sodass Aprikosen, Indianerbananen und weitere Köstlichkeiten nur im Schnelldurchgang besichtigt werden konnten. Der Bus chauffierte die Gmünder sogleich weiter zum nächsten Ziel — der Gartenschau in Mühlacker. Dort verbrachten die Baum– und Fachwarte einen angenehmen Nachmittag, wurden durch neu geschaffene oder umgestaltete Anlagen entlang der Enz geführt und konnten neue Impressionen für die Umsetzung im eigenen Garten gewinnen. Die Lehrfahrt fand in einer Gaststätte im Remstal ihren gemütlich, geselligen Ausklang. Der Vorsitzende Udo Wahl dankte im Namen aller Teilnehmer dem Organisator Franz-Josef Klement für die perfekte Gestaltung des Tages.
Dieser Artikel wurde von der Redaktion der Rems-Zeitung unbearbeitet veröffentlicht.
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